Als Baha'i bezeichnet sich eine aus dem Babismus hervorgegangene humanitär-aufklärerische Religionsgemeinschaft. Baha'i ist auch die Bezeichnung ihrer Religionsanhänger. Gründer der Religionsgemeinschaft ist Mirza Husayn Ali, genannt Baha'ullah.
1 Verbreitung
2003 lebten nach Angaben der Baha'i mehr als 7 Millionen Baha'i in 218 Ländern. Nach Informationen des Baha'i Office of Public Information aus dem Jahr 2004 stammen die Baha'i aus mehr als 2100 ethnischen Gruppen und leben - vom Ursprungsland Iran abgesehen - vor allem in Indien, Afrika und Südamerika. Die größten Baha'i-Gemeinden der westlichen Welt sind die der USA und Kanadas.
In Deutschland leben seit 1905 Baha'i. Momentan sind es rund fünftausend in ca. 900 Orten Deutschlands. Ihr nationales Verwaltungszentrum mit dem ersten „Europäischen Baha'i Haus der Andacht“ befindet sich in Hofheim am Taunus. Dort werden auch im Baha'i-Verlag die deutschen Übersetzungen der Baha'i-Schriften herausgegeben. Insgesamt wurden sie in mehr als 800 Sprachen übersetzt.
Die dem Baha'i Konferenzzentrum in Wienacht (Schweiz) angeschlossene Universität wurde wegen finanzieller Probleme geschlossen. Nach eigenen Angaben hat die Baha'i Religion in der Schweiz vierzig Gruppen und etwa 1000 Anhänger.
2 Lehre
Als ihre Ziele bezeichnet die Baha'i-Religion die Erreichung allgemeinen Friedens, die Förderung der Erziehung für jedermann, die Ausbreitung einer Weltsprache (wie beispielsweise Esperanto) sowie die Gründung eines zwischenstaatlichen Gerichtshofes.
Zentrales Thema der Botschaft Baha'u'llahs ist der Gedanke der Einheit, der sich auf drei Ebenen manifestiert: in der Einheit Gottes, in der mystischen Einheit der Religionen und in der Einheit des Menschengeschlechtes. Theologischer Angelpunkt der Baha'i-Lehre ist das neue heilsgeschichtliche Paradigma der „fortschreitenden Gottesoffenbarung“: Gott offenbart sich der Menschheit nicht einmalig, sondern progressiv, zyklisch wiederkehrend. Da die Menschheit sich ständig fortentwickelt und sich demnach zwangsläufig die Umstände und die Fassungskraft der Menschen ändern, muss die Religion eine Erneuerung erfahren, um der Situation entsprechend göttliche Führung leisten zu können. Dies geschieht, indem Gott der Menschheit in bestimmten Zeiträumen göttliche Erzieher schickt. Folglich sind die großen Religionen (wie Judentum, Christentum, Islam u. a.) nicht bloße Wahrheitsteilhaben, sondern göttliche Stiftungen. Ihre heiligen Bücher sind Zeugnisse der Wahrheit, sie stammen letztlich alle aus derselben Quelle. Dem Glauben der Baha'i nach ist Baha'u'llah der Jüngste dieser göttlichen Erzieher, aber nicht der letzte.
Seine Mitte des 19. Jahrhunderts offenbarten Gebote und Gesetze, wie beispielsweise die Abschaffung aller Vorurteile, die Harmonie zwischen Religion und Wissenschaft, das Recht jedes Einzelnen auf Bildung, die Gleichberechtigung von Frau und Mann oder das tugendhafte Leben der Menschen, sollen die Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft bilden und dazu führen, „dass dem Körper dieser Welt eine lebendige Seele geschenkt wird und dieses zarte Kind, die Menschheit, zur Stufe der Reife gelangt.“
Die Baha'i besitzen in den zahllosen Originalschriften Baha'u'llah eine eigene zentrale Offenbarungsquelle. Dabei nimmt der Kitab-i-Aqdas, das „Heiligste Buch“, eine herausragende Stellung ein. Es stellt für die Baha'i die Charta einer künftigen Weltkultur dar, die zu errichten Baha'u'llah gekommen ist.
Im Zusammenhang mit dem im Schrifttum häufig betonten Einheitsgedanken wird auch von einer Baha'i-Weltordnung gesprochen. Der Einheitsbegriff der Baha'i ist daher eher im Sinne von Solidarität, Gerechtigkeit und dem Überwinden von kulturellen und territorialen Grenzen zu interpretieren. In diesem Sinne wird von Baha'u'llah die Bildung einer globalen Staaten-Föderation mit unabhängigen, geistigen und moralischen Grundsätzen verpflichteten Institutionen zum Überwinden der globalen Probleme als unverzichtbar angesehen. ("In dem Wunsche, die Voraussetzungen für Frieden und Ruhe in der Welt und für den Fortschritt ihrer Völker zu offenbaren, hat das Erhabenste Wesen geschrieben: Die Zeit muss kommen, da die gebieterische Notwendigkeit für die Abhaltung einer ausgedehnten, allumfassenden Versammlung der Menschen weltweit erkannt wird. Die Herrscher und Könige der Erde müssen ihr unbedingt beiwohnen, an ihren Beratungen teilnehmen und solche Mittel und Wege erörtern, die den Grund zum Größten Weltfrieden unter den Menschen legen. Ein solcher Friede erfordert es, daß die Großmächte sich um der Ruhe der Völker der Erde willen zu völliger Aussöhnung untereinander entschließen. ..." [Baha'u'llah, Botschaften aus Akka, 11:8]). Manche Baha'i erwarten jedoch eine Weltregierung nach den Regeln der Baha'i.
2.1 Zwölf ethische Grundsätze der Baha'i
Die ganze Menschheit ist als Einheit zu betrachten
Alle Menschen müssen die Wahrheit selbständig erforschen
Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage
Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein
Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen
Mann und Frau haben gleiche Rechte
Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden
Der Weltfriede muss verwirklicht werden
Beide Geschlechter müssen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung erfahren
Die sozialen Fragen müssen gelöst werden
Es muss eine Welthilfssprache und eine Einheitsschrift eingeführt werden
- Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden
3 Gottesdienst und Praxis
Gottesdienstliche Rituale bestehen nicht. An jedem Monatsersten nach dem Baha'i-Kalender, der das Jahr in 19 Monate zu 19 Tagen einteilt, halten die Gläubigen das "Neunzehntagefest" ab, das aus drei Teilen besteht: einem Andachtsteil, bei dem aus den heiligen Schriften gelesen wird, einem Beratungsteil und einem geselligen Teil.
Glaube an Baha'ullah wird als untrennbar mit dem Glauben an und Gehorsam gegenüber dem von Gott bestimmten administrativen System der Baha'i gesehen.
Baha'i sollte täglich beten und in der Schrift lesen. Im März gibt es eine jährliche Fastenzeit, die einen Baha'i-Monat (19 Tage) dauert.
Wichtig ist die Forderung nach Nächstenliebe.
Baha'i sind zur Monogamie verpflichtet und haben vor der Heirat die Zustimmung der Eltern einzuholen.
Alkohol und Drogen sind verboten, ebenso wie Askese, Mönchstum, Beichte, Feuerbestattung, Glücksspiel und Bettelei.
Darüber hinaus sind die Gläubigen zu Gehorsam gegenüber der Regierung ihres Landes verpflichtet. Die Teilnahme von Baha'i an parteipolitischen Aktivitäten oder Engagement in der Friedensbewegung oder Umweltschutzbewegungen außerhalb der Baha'i Religion wird jedoch missbilligt.
Die Anwendung von Gewalt ist untersagt, religiöser Fanatismus wird geächtet.
4 Organisation
Die administrativen Institutionen der Baha'i-Religion sind im Kitab-i-Aqdas formuliert.
Die Baha'i-Religion kennt keine Geistlichen bzw. Priester. Die Organisation besteht aus gewählten und ernannten Verantwortlichen.
Das höchste Gremium ist das Universale Haus der Gerechtigkeit in Haifa. Es hat neun Mitglieder, die alle fünf Jahre von den nationalen Körperschaften gewählt werden. Frauen sind nicht wählbar. Entscheidungen des Universalen Hauses der Gerechtigkeit gelten bei den Baha'i als unfehlbar.
Vom Universalen Haus der Gerechtigkeit werden kontinentale Ratsgremien (Continental Board of Counsellors) bestimmt. Diese wählen ihrerseits Hilfsamtsmitglieder, die dann lokale Assistenten ernennen.
Länder sind in Wahleinheiten eingeteilt, wo Delegierte gewählt werden, die ihrerseits die nationalen geistigen Körperschaften (Nationale Geistiger Rat) wählen.
Auf lokaler Ebene gibt es neunköpfige lokale geistige Körperschaften (Geistiger Rat).
Die administrativen Organe werden demokratisch gewählt. Wahlkampagnen sind jedoch untersagt, und bei Entscheidungen von Gremien wird nicht publiziert, welches Mitglied wie gestimmt hat, so dass der Wähler nicht feststellen kann, welche Haltungen ein Kandidat vertritt. Die gewählten Gremien sind nicht gegenüber den Wählern sondern gegenüber Gott verantwortlich.
4.1 Baha'i International Community (BIC)
Seit 1948 ist die Baha'i-Religion bei den Vereinten Nationen als Nichtregierungsorganisation anerkannt. Sie arbeitet am Hauptsitz New York in zahlreichen Gremien der Weltorganisation mit (WHO, UNICEF), sie hat seit 1970 beratenden Status beim Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC).
Außerdem hat die Baha'i International Community 1992 in New York das "Büro für die Förderung der Frauen" eingerichtet. Dieses hat die Aufgabe, die Stellung der Frau weltweit zu fördern und zu verbessern.
Unabhängig davon führt die weltweite Baha'i-Gemeinde mehr als 1700 soziale und wirtschaftliche Entwicklungsprojekte durch, die insbesondere Baha'i-Prinzipien in die Tat umsetzen sollen. 348 Schulen werden auf allen Kontinenten von Baha'i geführt.
5 Geschichte
In der Ursprungsgeschichte der Baha'i-Religion stehen zwei Hauptfiguren im Vordergrund: Mirza Ali-Muhammad (1819-1850), genannt „Bab“ (arab. „das Tor“), und Mirza Husayn Ali (1817-1892), genannt „Baha'u'llah“ (arab. „Herrlichkeit Gottes“).
5.1 Der Bab
Der Bab (1819-1850) erhob 1844 im südpersischen Shiraz den Anspruch, ein Gesandter Gottes zu sein mit dem Auftrag, als Vorläufer und Herold auf das baldige Erscheinen eines weiteren Offenbarer Gottes hinzuweisen, der die Erfüllung der Verheißungen aller Religionen - die Erscheinung eines endzeitlichen Welterneuerers - erfüllen würde. Dieser Anspruch einer nachislamischen Gottesoffenbarung erregte die Gemüter der islamischen Orthodoxie im damaligen Persien und führte zur öffentlichen Hinrichtung des Bab im Jahre 1850 und zu grausamen Verfolgungen und Hinrichtungen der Anhänger der Babi-Religion im Zuge des Attentats (1852) auf den Schah.
5.2 Baha'u'llah
Baha'u'llah (1817-1892), einer der führenden Anhänger des Bab, wurde gefangen genommen und lebte die letzten 40 Jahre seines Lebens in Verbannung. 1863 erklärte Baha'u'llah in Bagdad, seinem ersten Verbannungsort, dass er der von Bab verheißene Offenbarer sei und stiftete eine neue Religion, die als Baha'i-Religion bekannt wurde. Die alte Gemeinschaft der Babi-Religion ging weitgehend in der neuen Religion von Baha'u'llah auf. Seine Verbannung aus Persien führte ihn weiter über Edirne und Istanbul zur letzten Station seines langen Exils nach Akka im heutigen Israel. In der Nähe von Akka verstarb Baha'u'llah und wurde dort begraben, weswegen es heute das geistige Zentrum der Baha'i-Gemeinde darstellt.
5.3 Abdu'l Baha, Shoghi Effendi und die Folgezeit
Seine Nachfolge ging auf dessen ältesten Sohn Abdu'l Baha (1844-1921), über. Baha'u'llah bestimmte ihn zum Führer des Glaubens und bevollmächtigten Ausleger seiner Schriften. Diese Bestimmung gilt als Bund zwischen Baha'u'llah und seinen Jüngern. Ein jüngerer Sohn stellte den Anspruch von Abdu'l Baha in Frage, worauf dieser ihn und seine Anhänger als "Bundesbrecher" exkommunizierte. Der Ausdruck "Bundesbrecher" wurde in der Folge auf jede Opposition gegen ein Oberhaupt des Baha'i Glaubens angewandt.
Abdu'l Baha folgte 1921 sein Enkel Shoghi Effendi (1897-1957), der als „Hüter der Sache Gottes“ die Geschicke der rasch anwachsenden Gemeinschaft leitete. Nachdem Shoghi Effendi keine männlichen Nachkommen hatte, gibt es keinen bevollmächtigten Ausleger mehr.
Seit 1963 hat die Führung der internationalen Baha'i-Gemeinde eine kollektive Körperschaft inne, wie sie in den Schriften Baha'u'llah verordnet wurde. Dieses aus neun Männern bestehende Gremium, genannt das Universale Haus der Gerechtigkeit, hat seinen Sitz in Haifa (Israel). Hier befindet sich daher auch das administrative Weltzentrum der Baha'i-Gemeinde. Im heutigen Iran, in weniger schwerer Form auch in anderen islamischen Ländern, sind Anhänger der Baha'i-Religion starker Verfolgung ausgesetzt. Sie werden oft unter Todesdrohung dazu gezwungen, ihrem Glauben abzuschwören.
6 Kontroversen
Im Gegensatz zu anderen neuen religiösen Bewegungen ist die Baha'i Religion in westlichen Ländern kaum in Kontroversen verwickelt.
Die Baha'i Religion nimmt auch gegenüber Ehemaligen einen toleranten Standpunkt ein.
Die Baha'i-Religion erklärt, dass sie nicht versucht, andere zu bekehren (proselytizing). Darunter versteht sie allerdings nur gewaltsame Bekehrung oder Tür-zu-Tür Werbung. Es wird von Baha'i erwartet, dass sie ihren Glauben lehren, damit ihr Glaube verbreitet wird.
Andererseits gibt es in der Baha'i Religion aufgrund des Einheitsgedankens öfters Probleme mit internen Dissidenten, gegen die sowohl Zensur als auch psychischer Druck angewendet werden. Ein internes Druckmittel ist die Meidung: Wenn jemand zum Bundesbrecher erklärt wird, brechen Baha'i den Kontakt zu ihm ab. Sein Ehepartner steht vor der Wahl, sich dem Häretiker anzuschliessen und ebenfalls gemieden zu werden, oder sich scheiden zu lassen. Familienangehörige müssen entweder den Kontakt zum Häretiker abbrechen, oder sie werden ebenfalls gemieden.
Eine Regel, die besonders intellektuelle Baha'i in den Vereinigten Staaten als interne Zensur als problematisch ansehen, ist, das alle schriftlichen Arbeiten über den Baha'i Glauben, auch akademischer Art, vor der Publikation einer internen Überprüfung durch die nationale geistige Körperschaft unterzogen werden müssen (Universal House of Justice: Individual Rights and Freedoms in the World Order of Baha'u'llah, 1988).So musste das in den Achtzigerjahren von einer Gruppe von Intellektuellen in Los Angeles publizierte populäre Magazin Dialogue nach zwei Jahren sein Erscheinen einstellen, da den Autoren von der nationalen geistigen Körperschaft öffentlich mangelnder Respekt gegenüber den Institutionen vorgeworfen wurde (obwohl jeder Artikel vor der Publikation die interne Revision passiert hatte). Die konkrete Ursache war der (nie im Magazin veröffentlichte) Artikel "Ein bescheidener Vorschlag" (A Modest Proposal (http://www.fglaysher.com/bahaicensorship/modest.htm)), der dem internen Gremium zur Revision vorgelegt wurde.
Die akademische online-Diskussionsgruppe Talisman, der unter anderem die Baha'i Universitätsprofessoren David Langness, John Walbridge, Juan Cole angehörten, wurde 1997 durch das kontinentale Ratsbüro untersucht. David Langness wurden aufgrund eines Online-Artikels seine Rechte als Baha'i entzogen, Juan Cole und Wallbridge's Frau gaben ihren Austritt bekannt, nachdem ihnen "Äußerungen, die dem Bund widersprechen" vorgeworfen wurden. John Wallbridge schloss die Diskussionsgruppe, sie wurde jedoch einen Monat später von Cole (jetzt ex-Baha'i) wieder eröffnet.
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Bahai aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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